© Evangelisch-Freikirchliche-Gemeinde Schönebeck - 2022
Gedenke - vergiss nie!
Die Synagoge zur Zeit des Hitler Regimes
Am 9. November 1938 zerstörten die Faschisten das Innere
der Synagoge. Nach der Restaurierung 1983-1986 wird hier
wieder Gott geehrt.
Gedenke - vergiss nie!
Aus einem Bericht der Zeitschrift "Wort und Werk", 10. Oktober 1988
Die
Progromnacht
vom
9.
und
10.
November
1938,
als
überall
in
Deutschland
durch
die
Hände
der
Hitler-Schergen
die
Synagogen
in
Flammen
aufgingen
und
die
Schaufensterscheiben
jüdischer
Geschäfte
zerklirrten,
diese
"Reichskristallnacht"
war
der
Beginn
jener
gezielten
grausigen
Judenverfolgung,
an
deren
Ende
der
Tod
von
sechs
Millionen
Juden
in
den
Gaskammern
der
faschistischen
Konzentrationslager
stand.
Die
Nacht
des
Faschismus
ist
überwunden,
1945
wurde
unser
Volk
von
der
Hitlerherrschaft
und
ihrer
Kriegs-
und
Todesmaschinerie
befreit.
Doch
jenes
Geschehen vor sechzig Jahren bleibt eines der dunkelsten Kapitel unserer Geschichte.
Zum
50.
Jahrestag
der
Progromnacht
galten
neben
einer
Sondersitzung
der
Volkskammer
der
DDR
vielerorts
in
unserem
Lande
Veranstaltungen
und
Kundgaben
mahnenden
Gedenkens.
In
Schönebeck/Elbe
gab
es
dazu
ein
Ereignis,
das
gerade
für
uns
Geschichte
wie
mahnendes
Gedenken
gleichsam
handgreiflich
machte.
Am
SCHALOM-Haus
unserer
dortigen
Evangelisch-Freikirchlischen
Gemeinde
wurde
in
Anwesenheit
von
Vertretern
aller
Kirchen
der
Stadt,
der
Synagogengemeinde
Magdeburg,
der
örtlichen
Staatsorgane
und
Parteien
sowie
der
Gemeinde selbst ein Gedenktafel mit folgender Aufschrift angebracht:
Gedenke- vergiss nie!
Am 9. November 1938 zerstörten die Faschisten das Innere
der Synagoge.
Nach der Restaurierung 1983-1986
wird hier wieder
Gott geehrt.
Seit
dem
Mai
1986
ist
die
ehemalige
Schönebecker
Synagoge
die
Gottesdienst-
und
Versammlungsstätte
unserer
dortigen
Gemeinde.
Über
die
Wiedereinweihung
berichteten
wir
seinerzeit.
Aber
an
der
Geschichte
dieses
Hauses
wird
etwas
von
dem
ablesbar,
was
uns
der
Jahrestag
jener
Novembernacht
für
Gegenwart
und
Zukunft
mahnend
und verpflichtend ins Gedächtnis schreiben will.
Von
1877
bis
zu
der
Pogromnacht
von
1938
war
die
Synagoge
die
Kultstätte
der
Schönebecker
Jüdischen
Gemeinde,
in
der
etwa
120
Menschen
zu
Sabbatfeiern
und
Gottesdiensten
zusammenkamen.
In
jener
Nacht
vor
fünfzig
Jahren
dann
wurde
der
Friede
des
Hauses
und
seiner
Gemeinde
auf
teuflische
Weise
zerstört.
Nazitrupps
und
von
ihnen
aufgehetzte
Jugendliche
verwüsteten
johlend
die
Inneneinrichtung
und
entweihten
den
Kultraum,
indem
sie
ein
lebendes
Schwein
-
für
den
jüdischen
Glauben
das
verabscheute
Sinnbild
der
Unreinheit
-
an
einen
Leuchter
hängten
und
einen
Brand
legten.
Nur
die
Furcht
vor
dem
Übergreifen
des
Feuers
auf
die
Nachbarhäuser
führte
dazu,
dass
der
Brand
wieder
gelöscht
wurde.
So
blieb
das
Gebäude
erhalten;
doch
wiederholte
sich
buchstäblich,
was
schon
im
74.
Psalm
beweint
wurde:
„Sie
zerschlagen
all
sein
Schnitzwerk
mit
Beilen
und
Hacken...
Sie
sprechen
in
ihrem
Herzen:
Lasst
uns
sie
ganz
unterdrücken!
Sie
verbrennen alle Gotteshäuser im Lande...“
Zwei
mündliche
Berichte
aus
Schönebeck
von
damaligen
Zeitzeugen:
„Am
11.
November
1938
musste
sich
unsere
Klasse,
etwa
30
zwölfjährige
Jungen,
vor
der
Synagoge
aufstellen.
Wir
mussten
die
restlichen,
noch
nicht
ganz
zerstörten
Scheiben
einwerfen.
Dann
stürmten
wir
hinein,
um
das
schon
Zerstörte
noch
weiter
zu
zerstören.
Ein
großes
blaues
Plakat
mit
Hetzparolen
gegen
die
Juden
wurde
an
der
Fassade
angebracht,
alle
Davidsterne
sowie
die
hebräische
Inschrift
zerstört,
ebenfalls
der
Davidstern
auf
der
Kuppel.“
-
„In
der
Synagoge
wurde
laut
gejohlt
und
gebrüllt.
Spottlieder
auf
die
Juden
wurden
gesungen.
An
einem
Leuchter
hing
ein
Schwein.
An
einem
anderen
Leuchter
schwang
sich ein HJler mit einem Seil hin und her.“
Das
Synagogengebäude
musste
dann
dazu
herhalten,
die
jüdischen
Bürger
der
Stadt
hier
zu
ihrem
Abtransport
in
die
Konzentrationslager
zu
arrestieren.
Kein
einziges
Mitglied
der
damaligen
Synagogengemeinde
lebt
heute
mehr
in
Schönebeck.
1940
wurde
das
Gebäude
für
die
Dessauer
Junkers-Flugzeugwerke
beschlagnahmt,
die
hier
Teile
für
die
von
ihnen
produzierten
Luftwaffenbomber
lagerten.
In
einer
Rathaus-
Notiz
vom
30.12.1940
ist
festgehalten,
die
Beschlagnahme
sei
finanziell
dahin
„geregelt“,
dass
die
Firma
Junkers
eine
monatliche
Entschädigung
von
50,-
RM
zahlt:
„Die
Judengemeinde
erhält
eine
Anerkennungsgebühr
von
1,-
RM
monatlich.
Die
restlichen
49
RM
werden
einem
besonderen
Fonds
zugeführt,
über
dessen
Verwendung
meinerseits
nur
im
Einvernehmen
mit
dem
Kreisleiter
der
NSDAP
bestimmt
werden soll.“
Als
Anfang
Mai
1945
das
Kriegsende
nahe
war
hatten
amerikanische
Truppen
Magdeburg
besetzt
und
forderten
Schönebeck
auf,
sich
zu
ergeben.
Die
in
der
Stadt
verbliebenen
führenden
Nazis
aber
lehnten
das
ab,
sprengten
die
Elbbrücke
als
Zufahrt
und
verbarrikadierten
die
Ortseingänge,
bewaffneten
Kinder
und
Greise
als
„Volkssturm“
und
verlangten,
Widerstand
zu
leisten.
Zweimal
verlängerten
die
Amerikaner
das
Übergabeultimatum
um
je
einen
Tag.
Der
Bürgermeister
Dr.
Bauer
und
der
Katholische
Kaplan
Jäker
verhandelten
unterdessen
hinter
dem
Rücken
der
Nazimachthaber
mit
dem
amerikanischen
Kommandanten,
um
die
Stadt
vor
Stürmung
und
Zerstörung
zu
bewahren.
Sie
erklärten
die
Kapitulation
der
Stadt,
so
dass
Schönebeck
kampflos
eingenommen
wurde.
Und
nun
die
bewegenden
Sätze
des
Kommandanten,
die
die
Geduld
des
herangerückten
US-Regiments
erklären:
„Wir
wollten
Schönebeck
nicht
zerstören.
Meine
Vorväter
lebten
hier.
Sie
waren
Juden
und
gehörten
zur
Schönebecker
Synagogengemeinde.
Meine
Sehnsucht
war
es,
in
ihrer
Synagoge
zu
beten
und
ihre
Gräber
auf
dem
Friedhof
zu
besuchen.“
Hatte
Schönebeck
sein
Überleben
und
seinen
Fortbestand
der
Tatsache
zu
verdanken,
dass
sich
in
seiner Mitte einmal eine jüdische Gemeinde befand, obwohl deren letzte Generation verschleppt und hingemordet worden war?
Die
jüdische
Gemeinde
war
1945
ausgelöscht.
Und
die
Synagoge
blieb
für
Jahrzehnte
nur
einfach
ein
Gebäude,
das
für
verschiedene,
seiner
eigentlichen
Bestimmung
entfremdete
Zwecke
genutzt
wurde.
Doch
die
Geschichte
Gottes
mit
diesem
Haus
war
nicht
zu
Ende.
Es
erhielt
seine
Bestimmung
zurück:
Gott
wird
hier
wieder
geehrt.
Das
prophetische
Wort,
von
der
Jüdischen
Gemeinde
1877
bei
der
Einweihung
der
Synagoge
in
die
Fassade
graviert,
erfüllt
sich
auf
neue
Weise:
„Dies
sei
ein
Bethaus
für
alle“
(Jesaja
56,
7).
Durch
welches
Dunkel
hindurch,
über welchen Abgrund hinweg es zu dieser Erfüllung gekommen ist, kann dabei nie vergessen werden.
Auch
unsere
Evangelisch-Freikirckliche
Gemeinde
war
sich
dessen
bewusst,
als
sie
Anfang
1983
das
Gebäude
übernahm.
Ende
der
siebziger
Jahre,
als
mit
der
Sanierung
von
Schönebecks
Altstadt
begonnen
wurde,
musste
die
Gemeinde
neue
Räume
für
sich
suchen;
denn
um
den
Hinterhof
in
der
Steinstraße
6,
wo
der
damalige
Gemeindesaal
lag,
hätten
die
Bauarbeiter
keinen
Bogen
machen
können.
Die
leerstehende
Synagoge
bot
sich
als
Lösung
geradezu
an,
nicht
nur
im
Hinblick
auf
die
Räumlichkeit
als
solche,
sondern
als
ein
Haus,
in
dem
wieder
Gottes
Ehre
wohnen
und
das
wieder
mit
Leben
erfüllt
werden
sollte.
In
den
Gesprächen
mit
der
hier
sachwaltenden
Magdeburger
Synagogengemeinde
fand
man
für
das
Vorhaben
nicht
nur
offene
Ohren,
sondern
unterstützendes
Entgegenkommen.
So
stand
unsere
Gemeinde
nach
dem
Erwerb
des
Hauses
vor
einer
dreijährigen
Aufbau-
und
Restaurierungsarbeit
-
eine
gewaltige
Herausforderung
sowohl
von
der
geschichtlichen
als
auch
von
der
bautechnischen
und
arbeitsmäßigen
Seite
her,
unter
großen
Opfern
an
Geld,
Zeit
und
Einsatz
bewältigt. Das dabei entstandene Gemeindehaus erhielt den Namen SCHALOM-Haus.
Und
nicht
nur
der
Name
-
nach
dem
jüdischen
Friedensgruß,
der
den
Wunsch
für
Heil
und
Wohl
und
Gottes
Segen
einschließt
-
erinnert
an
den
Ursprung.
Auch
bei
der
Restaurierung
wurden
die
Hinweise
auf
die
erste
Zweckbestimmung
des
Bauwerkes
bewahrt.
So
verweist
ein
Faltblatt
der
Gemeinde
darauf,
dass
die
Säulen
am
Hauptportal
(vgl.
Bild)
und
die
geschnitzte
Säule
an
der
Eingangstür
(Säulen
kehren
in
der
Kunst
des
Tempels
und
später
der
Synagogen
immer
wieder
als
Ausdruck
einer
tiefen
Symbolik)
ihre
Erklärung
im
Alten
Testament
finden:
1.
Könige
7,
13-21;
2.
Chronik
3,
15-17;
4,
12.
Im
Vorraum
des
Gemeindehauses
weist
ein
Davidstern
mit
der
hebräischen
und
deutschen
Inschrift
„Jesus“
auf
die
Verwurzelung
des
Christentums
im
Judentum
hin.
Die
achteckige
Kuppel
wird
von
einem
Kreuz
und
vier
Davidsternen
gekrönt.
Vieles
bei
der
Innengestaltung
und
-ausstattung
nimmt
gleichsam
den
Gedanken
des
Apostels
Paulus
in
Römer
11,
24
auf,
wo
er
das
Judentum
mit
einem
Lebensbaum
vergleicht,
der
in
Gottes
Quellengrund
verwurzelt
ist;
in
diesen
Baum
ist
die
Christenheit
hineingepfropft.
Die
Schönebecker
Gemeinde
hat
sich
für
Ihr
SCHALOM-Haus
ein
Signum
geschaffen,
das
„Taube
-
Säule
-
Wasser“
versinnbildlicht.
Die
Taube
verweist
auf
den
heiligen
Geist,
der
nach
der
Himmelfahrt
Christi
Gottes
Geschenk
für
alle
Menschen
ist,
die
sich
Gott
öffnen.
Die
Säule
(im
Signum
ist
ein
Kapitell,
ein
Säulenabschluss,
dargestellt)
ist
als
Symbol
für
den
Tempel
zugleich
ein
Zeichen
für
die
Synagoge
wie
für
die
Gemeinde.
Das
Wasser
deutet
auf
die
Taufe
hin
(wobei
die
drei
stilisierten
Wellen
auf
die
Dreieinigkeit
Gottes
weisen,
in
deren
Namen
eine
Taufe
geschieht).
Das
Signum
möchte
Ursprung
(Synagoge)
und
jetzige
Bestimmung
(Verkündigung
des
Evangeliums
von
Jesus
Christus,
dem
Friedensfürsten
und
Friedensbringer)
miteinander
verbinden.
Es
drückt
aus,
dass
das
SCHALOM-Haus,
die
ehemalige
Synagoge,
in
unserer
Zeit,
fünfzig
Jahre
nach
der
schmählichen
Schändung
der
Synagogen
in
unserem
Land,
ein
Symbol
der
jüdisch-christlichen
Verständigung
sein
darf,
ein
Wiederaufgerichtetes
Zeichen
der
Liebe
und
Weisheit
Gottes.
Judy
Urmann,
eine
jüdische
Frau
aus
Denver
(USA),
die
1941
aus
Schönebeck
emigriert
war,
besuchte
im
Juli
1987
die
Heimatstadt
und
das
SCHALOM-Haus.
In
einem
Brief
vom
21.10.1987
schrieb
sie:
“Ich
war
überrascht,
wie
wunderbar
die
ehemalige
Synagoge
hergerichtet
ist
und
dass
sie
wieder
als
Gotteshaus
genutzt
wird.
Ich
sah
sie
das
letzte
Mal
als
Elfjährige
am
10.
November
1938.
Alle
Fenster
waren
zerbrochen,
die
Türen
waren
offen,
und
drinnen
wurde
gewütet...
Sehr
erfreut
bin
ich
über
den
Namen
SCHALOM-Haus.
Dazu
habt
Ihr
unseren
Segen.
Ich
wünsche
Ihrer
Gemeinde
und
dem
SCHALOM-Haus
das
Allerbeste.“
SCHALOM-Haus
Zur Ehre Gottes und zum Wohle der Menschen